Ein Finanzdienstleistungsunternehmen, das Kunden bei der Umschuldung bestehender Verbindlichkeiten berät, darf die rechtliche Beratung zur vorzeitigen Beendigung von Darlehensverträgen gemäß § 490 Abs. 2 BGB als Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG nur durchführen, wenn der Sachverhalt einem anerkannten Kündigungstatbestand zuzuordnen ist.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufsoder Tätigkeitsbild einer anderen Haupttätigkeit gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.
Mit dieser Regelung ist die Annahme unvereinbar, eine für die Haupttätigkeit erforderliche Rechtsdienstleistung könne keine Nebenleistung sein. Ein solcher Inhalt der Vorschrift ist dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 RDG nicht zu entnehmen. Nach der Gesetzesbegründung soll es anders als bisher in Art. I § 5 RBerG gerade nicht mehr entscheidend sein, ob die Dienstleistung ohne den rechtsdienstleistenden Anteil überhaupt erbracht werden kann. Entsprechend bezeichnet die Begründung als typische zulässige Nebenleistungen rechtliche Beratungsund Aufklärungspflichten, ohne die die eigentliche Tätigkeit nicht ordnungsgemäß auszuführen ist.
Maßgeblich ist vielmehr, ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung hat, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann. § 5 RDG soll damit nur Anwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung nicht selbst wesentlicher Teil der Hauptleistung ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt stets auf nicht rechtlichem Gebiet liegen.
Dabei ist im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) grundsätzlich keine enge Auslegung des § 5 Abs. 1 RDG geboten.
Nach diesen Grundsätzen ist es dem Schuldenberater weder generell verboten noch allgemein nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, seine Kunden bei der vorzeitigen Beendigung von Darlehensverträgen rechtlich zu beraten. Dies gilt auch, soweit es sich um Kündigungen handelt, die auf § 490 Abs. 2 BGB gestützt sind.
Es gehört grundsätzlich zum Tätigkeitsbild eines Unternehmens, das Umschuldungen für seine Kunden vornimmt, diese im Zusammenhang mit der Kündigung bestehender Kredite zu beraten. Denn die Kündigung ist Voraussetzung für die Umfinanzierung. Ob es bereits ein etabliertes Berufsbild mit diesem Betätigungsfeld gibt, zu dem auch die Kündigung bestehender Darlehen des Kunden zählt, ist nicht entscheidend. Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 RDG ist vielmehr für die Schaffung neuer Berufsbilder offen.
Ob die Beratung bei der Kündigung der Kredite eine Nebenleistung nach § 5 Abs. 1 RDG darstellt, bestimmt sich nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit (Beratung im Zusammenhang mit einer Umschuldung) unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.
Der sachliche Zusammenhang mit der Haupttätigkeit ergibt sich daraus, dass ein Finanzdienstleister einen Auftrag zur Umfinanzierung zumindest häufig nicht wird annehmen oder jedenfalls nicht wird ausführen können, wenn eine vorzeitige Kündigung des bestehenden Darlehensvertrages ausscheidet. Die damit im Zusammenhang stehenden Rechtskenntnisse sind für die Haupttätigkeit erforderlich. Für die Vermittlung einer Umfinanzierung ist die Kenntnis von dem Kündigungsrecht des § 490 Abs. 2 BGB und seinen Voraussetzungen jedenfalls in Grundzügen unverzichtbar.
Ob die rechtliche Beratung zur Beendigung von Darlehensverträgen auch nach ihrem Inhalt und Umfang eine Nebenleistung zur Umfinanzierungsberatung darstellt, ist dagegen eine Frage des Einzelfalls.
Dabei ist davon auszugehen, dass die Vermittlung einer anderweitigen Finanzierung die vertragstypische Hauptleistung und damit häufig der Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten ist. Für den Charakter der Beratung über die Kündigung des bestehenden Darlehensvertrages als Nebenleistung spricht ferner, dass die Beklagte sie nicht isoliert als gesondert zu vergütende Dienstleistung anbietet.
Von den konkreten Umständen des Einzelfalls hängt jedoch ab, ob die Beratung und Unterstützung der Kunden bei der Kündigung bestehender Finanzierungsverträge im Hinblick auf die Komplexität der dafür erforderlichen rechtlichen Prüfung und dem damit verbundenen Zeitaufwand nach Inhalt und Umfang noch als Nebenleistung angesehen werden kann. Ob der Kunde der Beklagten einen Darlehensvertrag abgeschlossen hat, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart und das Darlehen durch ein Grundpfandrecht gesichert ist, ist allerdings unschwer festzustellen. Auch die Fristen des § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB lassen sich im Allgemeinen einfach berechnen. Weitere Voraussetzung des außerordentlichen Kündigungsrechts ist aber, dass berechtigte Interessen des Darlehensnehmers die Kündigung gebieten.
Die Prüfung dieser Voraussetzung bereitet keine erheblichen Schwierigkeiten, wenn der Sachverhalt einer Fallgruppe zuzuordnen ist, für die ein berechtigtes Kündigungsinteresse des Darlehensnehmers vom Gesetzgeber oder durch eine gesicherte Rechtsprechung anerkannt ist. Gemäß § 490 Abs. 2 Satz 2 BGB liegt ein solches Interesse vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. Davon ist zur Erhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Darlehensnehmers auszugehen, wenn ohne die vorzeitige Kreditablösung der beabsichtigte Verkauf des belasteten Grundstücks nicht möglich wäre oder wenn der Darlehensnehmer das mit dem Grundpfandrecht beliehene Objekt benötigt, um einen beim Darlehensgeber nicht erhältlichen, umfangreicheren Kredit abzusichern. In derartigen Fällen ist die erforderliche rechtliche Prüfung regelmäßig einfach und der dafür sowie für die Formulierung eines auf § 490 Abs. 2 BGB gestützten Kündigungsschreibens erforderliche Zeitaufwand gering. Die entsprechende Tätigkeit ist dann eine Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit der Beratung im Rahmen der Umfinanzierung.
Handelt es sich dagegen um einen Fall, der sich nicht ohne weiteres einer anerkannten Fallgruppe berechtigten Kündigungsinteresses zuordnen lässt, so sind komplexe rechtliche Überlegungen notwendig, die die volle Kompetenz eines Rechtsanwalts erfordern. Die Rechtsdienstleistung stellt sich dann nach Inhalt und Umfang nicht mehr als nach § 5 Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung zur Tätigkeit der Umschuldung dar.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 54/10 – “Kreditkontrolle”