Quantcast
Channel: Rechtslupe » Rechtsberatung
Viewing all articles
Browse latest Browse all 19

Rechtsberatung im Einzelhandesverband

$
0
0

Wenn es zum satzungsgemäßen Zweck eines Einzelhandelsverbandes gehört, seinen Mitgliedern durch Beratung und Hilfe in mit ihrer beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Rechtsangelegenheiten Rechtsschutz zu gewähren, darf der Einzelhandelsverband ein Mitgliedsunternehmen, das mit der Begründung abgemahnt worden ist, es habe durch seine Werbung die Marke eines Dritten verletzt, bei der Abgabe einer Unterwerfungserklärung beraten.

So hat der Bundesgerichtshof in dem hier vorliegenden Urteil entschieden. Die Klägerin, eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene bundesweit tätige Rechtsanwalts- und Patentanwaltskanzlei, nimmt den beklagten Einzelhandelsverband wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz in Anspruch.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht zu Recht einen Unterlassungsanspruch verneint. Die beanstandete Verhaltensweise des Beklagten ist nicht nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 RDG unzulässig. Die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Erstattung der Abmahnkosten sind ebenfalls unbegründet.

Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht nicht entgegen, dass nach Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken diejenigen Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken vollständig harmonisiert werden sollen, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen. Nach Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie bleiben alle spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können. Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen, die das Marktverhalten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln, auch nach dem UWG 2008 zulässig.

Bei der Bestimmung des § 3 RDG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Sie bezweckt, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen.

Die außergerichtliche Vertretung eines Mitgliedsunternehmens durch den Beklagten erfüllt die Voraussetzungen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Es handelt sich dabei um ein Verhalten zugunsten eines fremden Unternehmens, das mit dessen Werbemaßnahmen und damit objektiv mit der Förderung seines Absatzes zusammenhängt.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die angegriffene Rechtsberatung des Beklagten nicht gegen das in § 3 RDG geregelte Verbot verstößt, Rechtsdienstleistungen ohne entsprechende Erlaubnis zu erbringen, weil sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG zulässig ist. Diese Bestimmung erlaubt insbesondere Rechtsdienstleistungen, die berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder erbringen, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind.

Der Beklagte ist ein eingetragener Verein zur Wahrung und Förderung der Interessen des Einzelhandels und damit eine Vereinigung im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG.

Der Beklagte hat zwar im Zusammenhang mit der Abmahnung seines Mitglieds eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG erbracht. Das Berufungsgericht hat aber zu Recht angenommen, dass diese Rechtsberatung in Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben des Beklagten erteilt wurde.

Die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG erlaubnisfreie Mitgliederberatung muss im Zusammenhang mit den eigentlichen satzungsmäßigen Aufgaben der Vereinigung oder Genossenschaft stehen und darf diese nicht überlagern. Eine Ausweitung des Satzungszwecks auf die allgemeine Rechtsberatung der Mitglieder ist unzulässig. Die Rechtsdienstleistungen müssen eine dienende Funktion haben und dürfen daher nur Mittel sein, um den Gesamtzweck der Vereinigung zu erreichen. Abhängig vom Satzungszweck und dem Charakter der Vereinigung kann die Erlaubnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, aber durchaus in verschiedene Rechtsbereiche hineinreichen.

Nach diesen Grundsätzen fällt die beanstandete Rechtsberatung des Beklagten in dessen satzungsmäßigen Aufgabenbereich. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf verwiesen, dass nach § 2 Nr. 1 Buchst. c der Satzung zum Zweck des Verbandes nicht nur die Beratung und Unterstützung seiner Mitglieder in allgemeinen Wirtschafts-, Rechts- und Steuerfragen gehört, sondern auch die Gewährung von Beratung und Hilfe in Rechtsangelegenheiten, die mit der beruflichen Tätigkeit der Mitglieder im Zusammenhang stehen. Damit ist es Teil des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs des Beklagten, seine Mitglieder außergerichtlich zu beraten, sofern die Rechtsberatung im Zusammenhang mit diesem Verbandszweck steht. Der dem Mitgliedsunternehmen des Beklagten vorgeworfene Rechtsverstoß ist diesem bei der Werbung für sein Angebot unterlaufen. Damit bezog sich die Rechtsberatung auf einen Kernbereich der beruflichen Tätigkeit des Mitgliedsunternehmens. Die Hilfeleistung des Beklagten bei der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärungen wegen einer Verletzung von Markenrechten durch die Werbung seines Mitglieds gehörte daher zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben.

Die Revision rügt ohne Erfolg, die systematische und teleologische Auslegung von § 2 Nr. 1 der Satzung des Beklagten ergebe, dass ihm keine markenrechtliche Beratung seiner Mitglieder erlaubt sei. § 2 Nr. 1 Buchst. a bestimme den sachlichen Rahmen, innerhalb dessen der Beklagte Ansprechpart-ner seiner Mitglieder in rechtlichen Fragen sei. Diese Bestimmung regle die allgemeine Rat- und Auskunftserteilung außerhalb von konkreten Rechtsangele-genheiten. Demgegenüber stelle § 2 Nr. 1 Buchst. c klar, dass die Rechtsberatung für die Mitglieder nicht nur die Erteilung allgemeiner Auskünfte umfasse, sondern auch die Beratung in konkreten Rechtsangelegenheiten. Diese Beratungsbefugnis könne aber nicht weitergehen als die Auskunftsbefugnis. Da § 2 Nr. 1 Buchst. a nur “allgemeine Rechtsfragen” erwähne, sei die Beratung in Spezialgebieten – wie dem Markenrecht – nicht vom Verbandszweck umfasst.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die angegriffene markenrechtliche Beratung des Beklagten vom Verbandszweck umfasst ist. Die in den einzelnen Unterabsätzen des § 2 Abs. 1 der Satzung aufgezählten Verbandszwecke stehen gleichwertig nebeneinander. Für dieses Verständnis spricht bereits der Gleichrang der Gliederungspunkte. Die von der Revision befürchtete Ausuferung der Beratungsbefugnis des Beklagten in sämtliche Spezialgebiete besteht schon deshalb nicht, weil die Zulässigkeit der Beratung in konkreten Rechtsangelegenheiten auf Sachverhalte beschränkt ist, die mit der beruflichen Tätigkeit der Mitglieder im Zusammenhang stehen.

§ 2 Nr. 1 Buchst. c der Satzung des Beklagten umfasst entgegen der Ansicht der Revision auch die außergerichtliche Vertretung seiner Mitglieder. In dieser Bestimmung wird die Vertretung vor den Arbeits- und Sozialgerichten der Beratung und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gegenübergestellt, die mit der beruflichen Tätigkeit der Verbandsmitglieder in Zusammenhang stehen. Damit bringt die Satzung zum Ausdruck, dass der Begriff der “Vertretung” dem ge-richtlichen Tätigwerden vorbehalten ist. “Beratung und Hilfe in Rechtsangelegenheiten” schließt dann entsprechend dem allgemeinen Wortsinn eine außergerichtliche Vertretung ein.

Die Revision macht schließlich ohne Erfolg geltend, dass dem Be-klagten keine Tätigkeit zur Abwehr von Schutzrechtsansprüchen erlaubt sei, weil er sich dabei jedenfalls potentiell in einem unauflösbaren Interessenkonflikt befinde. Denn während dem Beklagten eine Rechtsberatung ausschließlich im Interesse des Rechtsuchenden gestattet sei, verpflichte ihn § 2 Nr. 1 Buchst. d seiner Satzung, jede Art unlauteren Wettbewerbs zu bekämpfen.
Der von der Revision angenommene Interessenkonflikt besteht indes im Streitfall schon deshalb nicht, weil das Mitglied des Beklagten nach dessen Be-ratung die von der Klägerin verlangte strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat. Durch die Tätigkeit des Beklagten wurde der lautere Wettbewerb also gefördert.

Zudem hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass anders als bei einem Wettbewerbsverband, dessen Klagebefugnis (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) auch für die Bestimmung der Grenzen seiner Rechtsberatungsbefugnis maßgeblich sein mag, die gemeinschaftliche Zielsetzung des Beklagten weit über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs hinausgeht. Sie umfasst neben der politischen Interes-senvertretung des Einzelhandels, dem Abschluss von Tarifverträgen, der Infor-mation der Verbandsmitglieder und der Öffentlichkeit über fachliche Belange, als weitere wesentliche Aufgabe außerdem, die Mitglieder bei der Wahrneh-mung beruflicher Interessen – auch gegenüber Dritten – mit Rechtsberatung und Rechtshilfe zu unterstützen.

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die beanstan-dete Rechtsberatung gegenüber der Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben des Beklagten nicht von übergeordneter Bedeutung ist. Nach den insoweit un-angegriffenen Feststellungen liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beklagten in der allgemeinen Interessenvertretung für den Einzelhandel, im Verhältnis zu der die Rechtsvertretung von Mitgliedern finanziell, personell und zeitlich nur einen Bruchteil der Ressourcen des Klägers in Anspruch nimmt.

Die beanstandete Rechtsberatung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 RDG unzulässig. Nach dieser Bestimmung muss die Vereinigung über die zur sachgerechten Erbringung der von ihr angebotenen Rechtsdienstleistungen erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung verfügen; außerdem muss die Beratung durch eine juristisch qualifizierte Person erfolgen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beschäftigt der Beklagte mehrere Rechtsanwälte, die für die Rechtsberatung zuständig sind. Zudem stand in den Vorinstanzen nicht in Streit, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der beanstandeten Rechtsberatung über die dafür erforderliche Aus-stattung und über entsprechend qualifiziertes Personal verfügte.

Danach erweisen sich die geltend gemachten Anträge auf Feststellung der Schadensersatzpflicht, Auskunft und Erstattung der Abmahnkosten ebenfalls als unbegründet.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juni 2011 – I ZR 58/10


Viewing all articles
Browse latest Browse all 19