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Der arbeitnehmerähnlich ausgestaltete Rechtsberatungsvertrag – und das vereinbarte Entgelt

Schuldet ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein Arbeitnehmer, so kommt im Zusammenhang mit diesem Vertrag eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Betracht, die für Arbeitnehmer gelten.

Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Finanzgericht allerdings davon ausgegangen, dass im Bereich der Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG) eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht anzunehmen ist bei Einnahmen (Einkünften) aus Geschäftsvorfällen, die der laufenden Geschäftsführung zuzurechnen sind. Solche Einnahmen führen zu laufenden Einkünften, die nicht tarifbegünstigt besteuert werden. Welche Geschäftsvorfälle im Einzelfall zur laufenden Geschäftsführung gehören, hängt maßgebend von der Art der Tätigkeit ab. Bei Steuerpflichtigen, die im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit üblicherweise eine Vielzahl von Verträgen abschließen, gehören auch die Kündigung oder Auflösung einzelner Verträge sowie deren Abwicklung nach Leistungsstörungen zur laufenden Geschäftsführung. Es handelt sich insofern nicht um ungewöhnliche Geschäftsvorfälle. Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist deshalb grundsätzlich noch nicht anzunehmen, wenn Schadensersatz oder Ausgleich für die Nichterfüllung eines (üblichen) Vertrags geleistet wird, einschließlich des entgangenen Gewinns. Dabei kommt es auf den Umfang und die Bedeutung des Geschäfts nicht an. Diese Grundsätze gelten ebenso für selbständig tätige Rechtsanwälte.

Die (unberechtigte) Kündigung eines üblichen Mandatsvertrags führt daher für einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht zu Einnahmen gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn er für den dadurch entgangenen Gewinn entschädigt wird. Nach diesen Grundsätzen könnte der Rechtsanwalt die Tarifbegünstigung auch für die streitige Vergleichszahlung nicht erlangen, wenn man bei einem Rechtsanwalt den Abschluss oder die Auflösung von Beratungsverträgen generell als üblichen Geschäftsvorfall ansieht.

Demgegenüber hat die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit stets deutlich großzügiger gehandhabt. Bei Arbeitnehmern wendet die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bereits dann an, wenn die Zahlung unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt (veranlasst) und dazu bestimmt ist, diesen Verlust auszugleichen. Sie muss außerdem (funktional) auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Nicht (mehr) erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vollständig einstellt. Eine tarifbegünstigte Entschädigung kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine Abfindung dafür zahlt, dass dieser einer Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit zustimmt. Hinzukommen muss weiterhin, dass es sich um ein “besonderes Ereignis” handelt. Dies setzt nicht voraus, dass die Entschädigung für den vollständigen Verlust der (einzigen) Einkunftsquelle geleistet wird. Vielmehr ist ein “besonderes Ereignis” schon dann anzunehmen, wenn die Beendigung oder Änderung des Vertrags vom Arbeitgeber ausgeht oder wenn der Arbeitnehmer beim Abschluss einer Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat.

Nach diesen Maßstäben käme im Streitfall eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG in Betracht, denn die streitige Zahlung war durch den Wegfall der künftigen Einnahmen aus dem Beratungsvertrag veranlasst und beruhte auf einer neuen Rechtsgrundlage (Vergleich). Ebenso wäre ein “besonderes Ereignis” anzunehmen, denn der Rechtsanwalt stand beim Abschluss des Vergleichs unter Druck. Hierzu hat der Bundesfinanzhof jüngst entschieden, dass es nicht dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation entspricht, allein wegen einer gütlichen Einigung in einer konfligierenden Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen.

Das hierdurch beschriebene Spannungsverhältnis ist in der Weise aufzulösen, dass bei der Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG die für Arbeitnehmer geltenden Grundsätze (analog) zu beachten sind, wenn im Rahmen der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts ein Geschäftsbesorgungs- oder Rechtsberatungsvertrag arbeitnehmerähnlich ausgestaltet ist. Dies gebietet die rechtliche Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt die systematische Einteilung der Einkunftsarten des EStG im Grundsatz keiner eigenen Sachgesetzlichkeit. Unterschiedliche Rechtsfolgen können deshalb nicht ohne Weiteres auf die bestehende Einteilung der Einkunftsarten gestützt werden, sondern bedürfen einer davon unabhängigen sachlichen Rechtfertigung. Lassen sich solche sachlichen Unterschiede nicht finden, sind die Einkunftsarten grundsätzlich gleich zu behandeln.

Dies zugrunde gelegt, kann § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht nach den für die Gewinneinkünfte entwickelten Regeln zur Anwendung kommen, wenn ein Geschäftsvorfall zu beurteilen ist, der nach objektiven Kriterien und bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung einem nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis hinreichend ähnlich ist und schon deshalb aus dem Rahmen der für die zu beurteilende Tätigkeit sonst üblichen Geschäfte herausfällt; in einem solchen Fall muss sich die rechtliche Beurteilung des Vertrags nach den in der Rechtsprechung für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entwickelten Grundsätzen richten.

Ob der Beratungsvertrag arbeitnehmerähnlich ausgestaltet war, bedarf einer wertenden Betrachtung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.

Bei isolierter Betrachtung des Vertrags ist darauf abzustellen, ob er –ungeachtet der rechtlich zutreffenden Einordnung bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit, also insbesondere ohne Berücksichtigung der fehlenden Weisungsabhängigkeit– die für einen vergleichbaren leitenden Angestellten wesentlichen Merkmale eines typischen Arbeitsvertrags aufweist. Als Kriterien kommen hier insbesondere in Betracht eine feste Vergütung ohne leistungsbezogene Einzelabrechnungen, Kündigungsschutz bzw. Vereinbarung einer festen Laufzeit des Vertrags, Anspruch auf Urlaub, Sozialleistungen und betriebliche Altersvorsorge, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende Unternehmerinitiative, kein Kapitaleinsatz, keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb. Hinsichtlich der gebotenen Gesamtwürdigung kommt es darauf an, ob das Vertragsverhältnis in seiner rechtlichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Handhabung einem Anstellungsverhältnis soweit angenähert ist, dass es deswegen aus dem Rahmen der sonst für einen Rechtsanwalt üblichen Geschäfte deutlich herausfällt und eindeutig von diesen abgegrenzt werden kann.

Bei Betrachtung der gesamten Tätigkeit des Rechtsanwalts muss der Beratungsvertrag eine wesentliche, aber nicht die einzige Erwerbsquelle darstellen.

Es ist nicht erforderlich, dass es sich um die einzige Einnahmequelle des Rechtsanwalts handelt. Nachdem die Rechtsprechung bei Arbeitnehmern eine Entschädigung für entgehende Einnahmen –wie dargelegt– auch bei einer bloßen Reduzierung der Arbeitszeit und Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen gewährt hat, sind an die Vergleichbarkeit eines arbeitnehmerähnlich ausgestalteten Rechtsberatungsvertrags keine darüber hinausgehenden Anforderungen zu stellen. Das bedeutet, dass eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG auch dann in Betracht kommt, wenn entweder der Rechtsberatungsvertrag, der die Arbeitskraft des Rechtsanwalts in vollem Umfang bindet, auf Betreiben des Auftraggebers erheblich reduziert wird oder wenn z.B. ein Rechtsberatungsvertrag, der –wie im Streitfall– nur einen Teil der Arbeitskraft des Rechtsanwalts bindet, vollständig wegfällt.

Andererseits muss der Beratungsvertrag eine für die Gesamttätigkeit des Rechtsanwalts wesentliche Bedeutung haben. Das folgt daraus, dass ein Arbeitnehmer typischerweise nicht beliebig viele, sondern allenfalls so viele verschiedene Arbeitsverhältnisse einzugehen pflegt, dass jedes bei einer Gesamtbetrachtung noch als wesentlich angesehen werden muss. Dabei bestimmt sich die Wesentlichkeit für einen Rechtsanwalt vor allem danach, in welchem Umfang das Beratungsmandat dem Rechtsanwalt die Möglichkeit zum Abschluss beliebiger anderer Mandatsverträge nimmt, weil es seine Arbeitskraft dauerhaft bindet. Der Rechtsanwalt wird bei Abschluss eines Beratungsvertrags stets abzuwägen haben, ob er die Sicherheit einer dauernden Einnahmequelle der Möglichkeit eines höheren, aber möglicherweise unsichereren Verdienstes bei Abschluss vieler anderer Verträge vorzieht. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeitnehmerähnlichkeit umso mehr zu bejahen, je umfangreicher ein Beratungsvertrag die Arbeitskraft des Rechtsanwalts bindet. Ein fester Anteil, der mindestens gegeben sein muss, um von einem arbeitnehmerähnlichen Vertrag sprechen zu können, kann allerdings nicht angegeben werden, weil auch Arbeitnehmer mitunter mehrere Arbeitsverhältnisse parallel begründen können.

Unerheblich ist, dass der Rechtsanwalt trotz des Wegfalls des Beratungsmandats keinen feststellbaren Umsatzeinbruch erlitten hat. Darauf kommt es für die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht an. Soweit der Rechtsanwalt angibt, den fehlenden Umsatz durch die Annahme anderer Mandate ausgeglichen zu haben, ist ihm dieser Vorteil nicht anzurechnen. Es entspricht der Rechtsprechung, dass bei der Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG der “Schaden” nicht entfällt, wenn durch das schädigende Ereignis zugleich ein Vorteil bewirkt wird. Ein Vorteilsausgleich ist nicht vorzunehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Arbeitnehmerähnlichkeit des Vertrags. Auch im Fall der vollständigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der BFH nicht danach gefragt, ob und wann der Arbeitnehmer infolge der gewonnenen Verfügungsmacht über seine Arbeitszeit ein neues (und eventuell für ihn sogar günstigeres) Anstellungsverhältnis begründet hat.

Dem steht nicht die Rechtsprechung entgegen, wonach bei den Gewinneinkünften ein außergewöhnliches Ereignis (nur) anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige von einem Außenstehenden an der Verwirklichung seines Gewinnstrebens durch Anwendung eines nicht unerheblichen tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Drucks dergestalt gehindert worden ist, dass dem Geschäftsbetrieb zumindest teilweise die Ertragsgrundlage entzogen worden ist. Das ist zwar vorliegend nicht der Fall, denn durch den Wegfall des Beratungsmandats hat der Rechtsanwalt nicht etwa die Möglichkeit zum Abschluss neuer Verträge verloren, sondern vielmehr im Umfang des Wegfalls seiner eigenen Leistungsverpflichtung wieder hinzugewonnen. Die in der zitierten Rechtsprechung umschriebene Fallgruppe eines “Eingriffs” von dritter Seite in den laufenden Geschäftsbetrieb ist aber nicht abschließend in dem Sinne, dass sie andere Fälle einer Entschädigung bei den Gewinneinkünften vollständig ausschließt. Ein solcher anderer Fall ist die Kündigung oder Aufhebung eines arbeitnehmerähnlich ausgestalteten Beratungsvertrags.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Juli 2012 – VIII R 48/09


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